Gelnhäuser Spedition Müller sorgt sich über die Folgen der aktuellen Regierungsvorhaben
Von David Noll
Kaum ein Thema ist im zurückliegenden Bundestagswahlkampf kontroverser diskutiert worden als die Pkw-Maut. Nun steht sie im Koalitionsvertrag – obwohl sowohl Kanzlerin Merkel als auch ihr Juniorpartner SPD dies stets kategorisch ausgeschlossen hatten. Weit weniger beachtet wurde bisher da-· gegen ein anderer Punkt, der ebenfalls in der schwarz-roten Vereinbarung festgeschrieben ist: die Ausweitung der Maut für Lkw auf Bundesstraßen. Rund 2,3 Milliarden Euro soll das Vorhaben jährlich in die Staatskasse spülen. Doch gegen das Projekt regt sich Widerstand, die Berufsverbände der Güterverkehrs- und Logistikbranche laufen Sturm. Auch heimische Firmen sind von der Ausweitung der Lkw-Maut betroffen. So etwa die Spedition Müller in Gelnhausen, eine der größten Speditionen im Main-Kinzig-Kreis.
„Seit 60 Jahren gibt es bereits eine leistungs- und verbrauchsabhängige Maut für Lkw in Deutschland: die Mineralölsteuer. Alleine daraus nimmt der Bund im Jahr rund 55 Milliarden Euro ein. Es ist also durchaus Geld für die deutschen Straßen vorhanden“, sagt der Geschäftsführer der Spedition Müller, Richard Müller. Hinzu kommen seit Einführung der Maut im Jahr 2005 Einnahmen von jährlich rund 5 Milliarden Euro. „Dieses Geld sollte eigentlich komplett in die Straßensanierung fließen“, betont Müller. „Leider kommen dort aber gerade einmal 50 Prozent davon an. Trotzdem sollten auch diese Mittel eigentlich ausreichen.“
15,5 Cent pro gefahrenem Kilometer Derzeit werden für Lkw ab einem Gewicht von zwölf Tonnen und mehr als vier Achsen, die die Abgasnorm 5 erfüllen, 15,5 Cent pro gefahrenem Kilometer fällig. Für Müllers Spedition ergeben sich daraus Kosten von jährlich etwa 700 000 Euro, die Ausgaben für die Mineralölsteuer nicht eingerechnet. Kein Pappenstiel für ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von etwa 20 Millionen Euro. Besonders ärgerlich findet der Geschäftsführer, dass in der Diskussion suggeriert werde, Lastwagen zerstörten die Straßen, ohne für die Kosten aufzukommen: „Das ist einfach falsch. Die Speditionen decken schon heute die Kosten, die durch die Lkw entstehen, durch die Kfz-Steuer, die Versicherungssteuer und die Mineralölsteuer.“
Doch für die Speditionen bedeutet nicht nur die Ausweitung der Lkw-Maut auf Bundesstraßen einen wirtschaftlichen Einschnitt. Auch eine PkwMaut würde die Güter- und Logistikbranche treffen, sofern sie denn auch umgesetzt wird, ist sich Müller sicher. Im Verkehrsausschuss des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), in der der 48- jährige Diplom-Betriebswirt Mitglied ist, sei man sich sicher, dass es nur noch um die Ausgestaltung einer Pkw-Maut geht. „Dann lautet aber die Frage, wieso es eine Maut für Pkw sowie eine für Lkw ab 12 Tonnen geben soll, aber keine für den Bereich dazwischen“, sagt Müller. Deshalb würden dann wohl auch leichtere Lastwagen mautpflichtig werden, schätzt er: „Diese Fahrzeuge werden vor allem für den Abhol- und Zustellverkehr im Nahbereich eingesetzt. Die durch die Maut entstehenden Kosten werden dann sicherlich an die Verbraucher weitergegeben.“
Die Folgen der Krise Die Diskussion über weitere Maut-Abgaben kommt für die Branche zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Durch die Krise hatte sich die Preisschraube gefährlich nach unten gedreht, dazu kamen generell weniger Güter, die umgeschlagen wurden. In diese Zeit fiel zusätzlich eine Erhöhung der Lkw-Maut um über 40 Prozent: „Das hat richtig weh getan“, betont Müller. Zwar stiegen die Preise in den Vorjahren wieder an, das Vorkrisenniveau konnte zunächst aber nicht wieder erreicht werden. „Wir haben uns durchgekämpft“, meint der Gelnhäuser Spediteur. Erst in diesem Sommer habe sich die Lage wieder spürbar verbessert: „Die Mengen sind wieder angestiegen, die Auslastung ist aktuell gut. Für das kommende Jahr haben die großen Konzerne angekündigt, die Preise zu erhöhen. „Darum werden auch wir nicht herumkommen.“
Fast 50 Prozent der Fahrten in Deutschland Nun sorgt sich die Branche über die Auswirkungen weiterer Mautbelastungen. Zwar bietet die Spedition Müller über Kooperationsunternehmen auch Luft- und Seetransporte an, der überwiegende Teil der Güter wird aber auf der Straße transportiert. 95 Prozent der Aufträge werden innerhalb der EU abgewickelt, die Hälfte davon bleibt in Deutschland – wo bald die ausgeweitete LkwMaut gelten könnte.
Rund 90 Mitarbeiter beschäftigt die 1933 gegründete Spedition in Gelnhausen. 40 eigene Lastwagen, davon 34 40-Tonner, sind für Müller täglich auf den Straßen unterwegs. Hinzu kommen jeden Tag Fahrzeuge anderer Unternehmen, die für Müller fahren. Zu den Kunden zählen Unternehmen aus der Automobilindustrie, der Chemie, dem Maschinenbau oder dem allgemeinen Handel. „Wir fahren eigentlich alles, was die Region hergibt. Nur Umzüge machen wir nicht“, sagt der Firmenchef.
Neben der Maut bereiten Richard Müller zwei weitere Themen Sorgen für die Zukunft: die stetig steigenden Kraftstoffpreise sowie die derzeit geführte Diskussion über Lang-Lkw, in der Diskussion meist als „Gigaliner“ bezeichnet. Aktuell ist es in der Branche üblich, steigende Dieselpreise an die eigenen Preise für Transporte anzupassen, Trotzdem gehen die Überlegungen verstärkt in Richtung alternativer Antriebe oder eben den Einsatz größerer Fahrzeuge.
Hoffnung auf Gigaliner Den Einsatz von alternativen Antrieben in Lkw hält Müller, Stand heute, für schwierig:
„Gerade Elektroantriebe sind für längere Entfernungen aktuell undenkbar.“ Hoffnungsvoller ist er dagegen für den Einsatz der Lang-Lkw: „Damit hätten wir weniger Fahrten und einen deutlich geringeren Verbrauch pro transportierter Tonne. Studien gehen von etwa 20 Prozent weniger Diesel aus. Wir brauchen das zusätzliche Volumen der Lang-Lkw, um konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt Müller, schiebt allerdings sofort hinterher, dass die überwiegend ablehnende Haltung gegenüber Gigalinern deren Einsatz erschwere: „Für diese Diskussion habe ich aber überhaupt kein Verständnis. Da wird vor allem viel Angst geschürt.“
Ein häufig ins Feld geführtes Argument laute, dass Lang-Lkw durch ihr höheres Gewicht die Straßen noch stärker beschädigten als herkömmliche 40-Tonner. „Das ist einfach falsch. Ein 40-Tonner fährt auf fünf Achsen. In Pilotprojekten mit 44-Tonnern war das Gewicht auf acht Achsen verteilt. Selbst bei nur sieben Achsen, würde immer noch weniger Gewicht pro Achse auf der Straße lasten als bei einem fünfachsigen 40-Tonner.“
Auch halte er Lang-Lkw nicht für gefährlicher als andere Verkehrsteilnehmer: „Es gibt ein Netz mit Straßen, auf denen die Lang-Lkw fahren dürfen. Dazu zählen aber keine Wohngebiete und Innenstädte. Die eingesetzten Schulbusse mit Anhänger sind ähnlich lang wie der Lang-Lkw, transportieren aber eine deutlich empfindlichere und wertvollere Fracht, und fahren außerdem mitten durch Wohngebiete. Da soll mir einmal jemand erklären, wieso Lang-Lkw gefährlicher sein sollten“, meint Müller.
Der Vorteil gegenüber der Bahn Grundsätzlich glaubt der Unternehmer nicht, dass sich in absehbarer Zeit der Lkw als Haupttransportmittel verabschieden wird: „Zurzeit sehe ich da keine Alternative. 85 Prozent der Güter werden auf der Straße transportiert. Natürlich kann man fordern, dass mehr Güter auf die Schiene sollen. Dann muss man aber auch die Konsequenzen daraus akzeptieren: Neubau und Ausbau von Bahnstrecken. Denn schon 5 Prozent Verlagerung des Aufkommens auf die Bahn bedeuten – eine notwendige Kapazitätserhöhung von 50 Prozent, die die Bahn aber ohne massiven Aus- und Neubau nicht bereitstellen kann. Neben der Frage der Finanzierung fehlt derzeit auch die gesellschaftliche Akzeptanz, wie bei den schon länger geführten kontroversen Diskussionen über Bahnprojekte in unserer Region wie die ‚Mottgers-Spange‘ und ein drittes Gleis bis Fulda“, sagt Müller.
700 000 Euro zahlt das Gelnhäuser Unternehmen im Jahr für die Lkw-Maut. Eine Ausweitung auf Bundesstraßen sowie die Einführung einer Pkw-Maut könnten die Spedition Müllei und andere Vertreter der Branche weiter belasten. (Foto: re)